Viren und Trinkwasser

Trinkwassersicherheit

Viren und Trinkwasser

Nach derzeitigem Kenntnisstand keine Gefahr

Trinkwassersicherheit: Es ist eine grundlegende Aufgabe der Wasserversorger, eine Infektion durch Viren oder andere Krankheitserreger über das Trinkwasser jederzeit zu verhindern. Viren können grundsätzlich auch über das Trinkwasser übertragen werden. Für die Trinkwasseraufbereitung ist aber nur ein kleiner Anteil der humanpathogenen Viren von Bedeutung. Nur solche, die über das Abwasser in die Umwelt gelangen und aufgrund ihrer Stabilität für eine gewisse Zeit ihre Infektiosität behalten.

Hintergrundinformationen

Allgemeines über Viren

Viren sind sehr kleine Krankheitserreger, die keinen eigenen Stoffwechsel haben und sich nicht eigenständig vermehren können. Sie sind daher darauf angewiesen, einen Wirtsorganismus zu infizieren und dessen Stoffwechsel zur eigenen Vermehrung zu nutzen. Sie sind aus diesem Grund stets Krankheitserreger bzw. Schädlinge.
Viren bestehen im Wesentlichen lediglich aus der Erbinformation mit dem Bauplan zur eigenen Vermehrung, die von Proteinen umgeben ist. Zusätzlich besitzen manche von ihnen eine zusätzliche Lipidhülle. Es gibt recht einfach und etwas komplexer aufgebaute Viren. Der Aufbau hängt von der spezifischen Ausbreitungsart und der jeweiligen Infektionsstrategie ab. Wegen der jeweils sehr speziellen Infektionswege sind Viren wirtsspezifisch. Allgemein wird zwischen Viren unterschieden, die Bakterien, Pflanzen, Tiere oder den Menschen befallen. Letztere werden als humanpathogene Viren bezeichnet.

Zur Vermehrung docken Viren an eine passende Wirtszelle an und schleusen ihre eigene Erbinformation ein. Anschließend wird die Wirtszelle so umprogrammiert, dass diese beginnt, Virusbestandteile herzustellen. Nach dieser Produktionsphase setzt die Zelle die neu produzierten Viren frei. Durch Veränderung der Erbinformation (Mutation) können Viren die Speziesgrenzen überwinden, also anstelle des bisherigen Wirtes einen neuen Wirt einer anderen Art infizieren. Als Beispiel ist hier die Vogelgrippe zu nennen, die ursprünglich auf Vögel beschränkt war. Aufgrund einer Mutation infizierte die Variante H7N9 z. B. auch den Menschen.

Der beste Schutz gegen Viruserkrankungen ist ein gut funktionierendes Immunsystem. Die sogenannten Fresszellen unseres Abwehrsystems erkennen Viren anhand ihrer Oberflächenstruktur und vertilgen sie. Hat der Körper eine Virusinfektion überstanden, bildet er Gedächtniszellen, welche die Viren bei einer erneuten Infektion wiedererkennen und die Virenvermehrung bereits im Ansatz unterbinden („Immunisierung“). Hierauf beruht auch das Prinzip der Impfung, bei der abgeschwächte/tote Viren oder Virusbestandteile in den Körper injiziert werden. Manche Viren wie z. B. die Grippeerreger verändern ihre Oberflächenstruktur sehr schnell. Als Folge erkennen die Gedächtniszellen, die sich zuvor gebildet haben, die neue Virusoberfläche nicht mehr und können als Folge das Virus nicht mehr frühzeitig attackieren. Aus diesem Grund werden Impfungen zum wirksamen Grippeschutz vor einer Grippeperiode jährlich auf die drei bis vier Influenza-Stämme mit der höchsten Verbreitungswahrscheinlichkeit abgestimmt.
 

Verbreitungswege von Viren

Die Verbreitungswege von Viren sind vielfältig, zum Beispiel über die Luft in Form von Tröpfcheninfektionen (z. B. Grippeviren), über kontaminierte Oberflächen durch Kontaktinfektion (z. B. Herpes-Viren), oder über Körperkontakt von Mensch zu Mensch. Auch über verunreinigte Lebensmittel kann man sich infizieren.

Viren können grundsätzlich auch über das Trinkwasser übertragen werden. Für die Trinkwasseraufbereitung ist allerdings nur ein kleinerer Anteil der humanpathogenen Viren von Bedeutung, nämlich solche, die über den Abwasserpfad in die Umwelt eingetragen werden und aufgrund ihrer Stabilität in der Umwelt für eine gewisse Zeit ihre Infektiosität behalten. Im Wesentlichen sind es Vertreter aus der Gruppe der unbehüllten Viren, die durch eine hohe Wirtsspezifität und eine geringe Infektionsdosis gekennzeichnet sind und nicht vollständig im Zuge der Abwasserbehandlung entfernt werden. Hierzu gehören u. a. Adenoviren, Rotaviren, Noroviren, Hepatitis-A- und Polioviren. Auch für diese Krankheitserreger hat die unmittelbare Übertragung von Mensch zu Mensch bzw. der Handkontakt zu kontaminierten Oberflächen eine erheblich bedeutendere Rolle als die über das Trinkwasser.
 

Trinkwassersicherheit

Es ist eine wesentliche Aufgabe der Trinkwasserproduktion eine Infektion durch Viren oder andere Krankheitserreger über das Trinkwasser jederzeit sicher zu verhindern. Um ein in seuchen- und in allgemeinhygienischer Hinsicht einwandfreies Trinkwasser herzustellen, werden die dafür erforderlichen Aufbereitungsmodule sorgfältig auf die jeweiligen Gefährdungsmöglichkeiten ausgerichtet. Zum Einsatz kommt dabei generell das Multi-Barrieren-Prinzip. Es bedeutet, dass im Rohwasser eventuell enthaltene Krankheiterreger im Zuge der Aufbereitung über mehrstufige Prozesse entfernt oder inaktiviert werden. Wichtige Module im Hinblick auf Krankheitserreger sind verschiedene Filtertechniken, die Ozonierung und die Desinfektion.

Da Viren aufgrund ihrer hohen Ladungsdichte und elektrochemischen Wechselwirkungen an Oberflächen (Sand, Lehm, Trübstoffe) anhaften, sind sie meist gut abfiltrierbar. Bereits wenige Meter (Ufer- oder Grundwasserpassage) reichen aus, um die Konzentration deutlich zu verringern. Die Filtration ist daher ein wesentlicher Schritt, um Viren aus dem Wasserstrom zu entfernen. Besonders effektiv werden Viren mit Hilfe der Langsamsandfiltration bei der künstlichen Grundwasseranreicherung abgeschieden. Dies ist ein Verfahren, das u. a. in den Ruhrwerken und im Wasserwerk Haltern angewendet wird.

Neben weiteren Aufbereitungstechniken dient speziell die Abschlussdesinfektion dazu, einzelne eventuell noch vorhandene Krankheitserreger zu inaktivieren. Besonders wirksam gegen Viren ist die Desinfektion mit UV-Strahlen, die z. B. bei den Ruhrwasserwerken zum Einsatz kommt.

Dass unser Trinkwasser im Hinblick auf Viren „sicher“ ist, zeigt die Statistik. Durch Trinkwässer, die entsprechend den anerkannten Regeln der Technik gewonnen, aufbereitet und verteilt wurden, gab es in Deutschland seit vielen Jahren keine Viren-Epidemie mehr.

Sicherheit gegenüber Coronaviren

Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (2019-nCOV) hat Deutschland im Februar 2020 erreicht. Coronaviren verursachen bei den meisten Menschen einen milden Krankheitsverlauf mit grippeähnlichen Symptomen. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch Tröpfchen- und Kontaktinfektion, also zum Beispiel durch Niesen, Husten oder eine Kette von Berührungen (von Mensch zu Mensch oder über Gegenstände wie Türgriffe). Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es dagegen keine Hinweise darauf, dass Coronaviren über den Wasserweg übertragen werden. Zwar besteht die Möglichkeit, dass Coronaviren von infizierten Menschen auch über den Stuhl ausgeschieden werden, wodurch sie prinzipiell auch in den Wasserkreislauf gelangen könnten. Erste wissenschaftliche Studien konnten jedoch zeigen, dass in den meisten Fällen keine infektiösen Viren ausgeschieden werden. Außerdem wurde in weiteren Studien gezeigt, dass Coronaviren, die zu den behüllten Viren gehören, eine geringe Stabilität im Abwasser aufweisen und somit in der Umwelt nicht lange überdauern könnten.

Die Trinkwasseraufbereitung aus Grund- und Oberflächenwasser ist mit ihrem Multi-Barrieren-System zudem ohnehin dafür ausgelegt, Coronaviren und andere humanpathogene Viren effektiv zu entfernen bzw. zu inaktivieren, sodass sie nicht in das Trinkwasser gelangen können.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es nach derzeitigem Kenntnisstand keine Gefahrfür eine Übertragung von Coronaviren über das Trinkwasser gibt. In einer Stellungnahme vom 12. März 2020 bezeichnet auch das Umweltbundesamt die Übertragung von Coronaviren über die öffentliche Trinkwasserversorgung als „höchst unwahrscheinlich“.

Untersuchung des Trinkwassers auf Viren

Die mikrobiologische Trinkwasserüberwachung beruht auf dem Indikatorprinzip. Das heißt, es werden Organismen untersucht, die eine fäkale Kontamination anzeigen bzw. sich vergleichbar zu möglichen Krankheitserregern verhalten. Damit ist sichergestellt, dass keine Krankheitserreger im Trinkwasser enthalten sind. Umfang und Häufigkeit der mikrobiologischen Untersuchungen werden von der Trinkwasserverordnung vorgegeben. Dieses Indikatorprinzip hat sich über mehr als 100 Jahre bewährt. Die spezifische Untersuchung von Trinkwasser auf einzelne Krankheitserreger ist nicht praktikabel, da es eine große Zahl an Erregern gibt, für die eine Übertragung über Wasser prinzipiell möglich wäre. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt derzeit zum Beispiel 26 verschiedene Krankheitserreger (darunter Bakterien, Viren und Parasiten), die über verunreinigtes Trinkwasser übertragen werden können. Hinzu kommen weitere, bei denen eine Übertragung über Wasser bislang nicht nachgewiesen wurde, jedoch als denkbar gilt. Die Untersuchung auf alle Erreger wäre daher enorm kosten- und zeitaufwendig. Hinzu kommt, dass die entsprechenden Nachweisverfahren beim plötzlichen Auftreten von bisher unbekannten Krankheitserregern (wie z. B. Coronaviren im Februar 2020) teils kurzfristig etabliert werden müssten.
 

Fazit

Das über Jahrzehnte etablierte Indikatorsystem der mikrobiologischen Trinkwasserüberwachung sowie die Einhaltung des technischen Regelwerks bei der Trinkwasseraufbereitung stellen eine einwandfreie Trinkwasserqualität sicher. Die Aufbereitung ist auf einen effizienten Rückhalt von Bakterien und Viren ausgelegt. Zudem unterstützen Hygieneregeln und weitere, freiwillige Überwachungsstrategien die Beibehaltung des hohen Trinkwasserstandards.

Ihr Ansprechpartner

Thomas Pochwyt

Experte Wasserqualität