Multiresistente Bakterien im Wasser: Antibiotika sind ein Problem

Antibiotika im Wasserkreislauf

Multiresistente Bakterien im Wasser

Zwei "Hotspots": Humanmedizin und Intensivtierhaltung

Berichte über multiresistente Keime in Oberflächengewässern verunsichern. Bakterien, die gegen verschiedene Antibiotika resistent sind, gelangen oft durch unbehandeltes Abwasser in den natürlichen Wasserkreislauf. Schon seit den 1960er Jahren nimmt der Anteil gesunder Personen, die Träger von antibiotikaresistenten Bakterien sind, zu. Auch Tiere sind betroffen. 
Antibiotikaresistenz bedeutet, dass Mikroorganismen Eigenschaften haben, die die Wirkung von antibiotisch aktiven Substanzen abschwächen oder neutralisieren können. Die Eigenschaft „Antibiotikaresistenz“ kann genetisch verankert sein oder auch erworben werden, zum Beispiel durch Mutation oder Gentransfer. Solche Bakterien haben dann gegenüber nicht antibiotikaresistenten Keimen einen starken Vorteil und können sich besser vermehren.
Deshalb tauchen sie häufig in Umgebungen auf, in denen Antibiotika stark vertreten sind: zum Beispiel in der Humanmedizin und der Intensivtierhaltung. Durch die Ausscheidungen von Menschen und Tieren gelangen sowohl die Rückstände der Arzneimittelwirkstoffen, ihre ⁠Metabolite⁠ und ⁠Transformationsprodukte⁠ als auch die antibiotikaresistenten Bakterien selbst in Böden und Gewässer. 

Welche Folgen hat das möglicherweise für unesr Trinkwasser? 

Umweltbundesamt

Mitteilung vom 25. April 2018

Das Expositionsrisiko in Deutschland über den Trinkwasserpfad gegenüber resistenten Krankheitserregern ist ohne praktische Bedeutung, wenn das Trinkwasser unter Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik aufbereitet wird und den gesetzlichen Anforderungen genügt. Quelle: UBA

Hintergrundinformationen zum Thema

Weltweiter Verbrauch von Antibiotika in den letzten 15 Jahren um 65 % angestiegen

In den Medien wird seit der NDR-Sendung „Panorama“ vom 6. Februar 2018 verstärkt zum Vorkommen multiresistenter Keime in Oberflächengewässern berichtet. Auslöser der Berichte waren Untersuchungen an unterschiedlichen Gewässern in Niedersachsen, in denen multiresistente Bakterien nachgewiesen wurden. Gemeint sind damit Bakterien, die gegen verschiedene Antibiotikaklassen resistent sind. Eine Infektion kann also nicht bzw. nur eingeschränkt mit einer Antibiotikatherapie behandelt werden. Als problematisch werden dabei insbesondere Badegewässer angesehen, die den Hauptberührungspunkt von Menschen mit Oberflächenwasser darstellen. Verursacht durch die Berichterstattung wurde die Thematik auch politisch intensiv diskutiert. Hierbei liegt der Fokus auf dem Schutz der Gewässer und der vorsorglichen Vermeidung von Einträgen in die Umwelt. Weitere Aspekte sind die Gewässerüberwachung und der Einfluss auf die Trinkwassergewinnung

Haupteintragungsort von Antibiotika sowie (multi-)resistenten Bakterien in die aquatische Umwelt sind unbehandelte Abwässer aus Bereichen, in denen vermehrt Antibiotika angewendet werden, insbesondere solche der Human- bzw. Tiermedizin (vor allem in Tiermastbetrieben). Insgesamt ist der weltweite Verbrauch von Antibiotika in den letzten 15 Jahren um 65 % angestiegen (Klein et al., PNAS, 2018). Liegen Antibiotika in der Umwelt vor, schaffen sie den resistenten Bakterien einen Wachstumsvorteil und bilden so ein Reservoir für Antibiotikaresistenz-Gene, das durch die mögliche Verbreitung der Resistenzen eine Umweltbelastung darstellt. Daher müssen Strategien zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes bzw. der sachgerechten Entsorgung etabliert bzw. verfeinert werden. Bereits seit mehr als zehn Jahren widmen sich Forscher der Thematik und haben insbesondere die Entwicklung von Resistenzen mittlerweile gut verstanden.

Als „Hotspots“ für die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen gelten insbesondere Gülle, Gärreste sowie Klärschlämme. Die Erkenntnisse münden in Vermeidungsstrategien bei denen diskutiert wird, zukünftig eine Umweltrisikobewertung für Arzneistoffe vorzunehmen. Bis Januar 2019 lief das BMBF-Verbundprojekt „HyReKA“ zur Verbreitung antibiotikaresistenter Bakterien durch Abwasser. Neben den Eintragspfaden, den Übertragungsrisiken auf den Menschen, der Rückverfolgbarkeit des Eintrages und den technischen Verfahren zur Abwasseraufbereitung war es Ziel des Projektes, Handlungsempfehlungen für behördliche Regularien und die identifizierten Risikobereiche zu erstellen. Bislang werden Antibiotika-resistente Bakterien weder in der Abwasser- noch in der Trinkwasserverordnung thematisiert.
 

Bewertung in Bezug auf die Trinkwassergewinnung

In Abhängigkeit von den jeweils vorliegenden örtlichen Gegebenheiten wird das Trinkwasser in Deutschland auf unterschiedliche Weise gewonnen und aufbereitet. Sofern möglich, werden zur Trinkwasseraufbereitung bevorzugt gut geschützte Grundwasservorkommen genutzt. Natürliche Reinigungsvorgänge führen dazu, dass Nährstoffe und Bakterien auf dem Weg des Wassers in den Untergrund zuverlässig reduziert werden. In vielen Regionen Deutschlands, darunter auch in NRW, reicht das Grundwasservorkommen aber nicht aus, um eine flächendeckende Versorgung mit Trinkwasser zu gewährleisten. Aus diesem Grund werden in diesen Regionen Oberflächenwasservorkommen genutzt, die eine gegenüber natürlichem Grundwasser weitergehende Aufbereitung erfordern.

Bei dem in den Wasserwerken an der Ruhr und im Wasserwerk Haltern angewandten Verfahren der künstlichen Grundwasseranreicherung wirken dieselben Reinigungseffekte wie bei der Entstehung von Grundwasser. Weitere Aufbereitungsstufen sind nach jeweiliger Erfordernis ergänzt und tragen zusätzlich dazu bei, dass auch hier ein hygienisch einwandfreies Trinkwasser abgegeben wird (Multibarrieren-System). 
 

Warum wird/wurde das Trinkwasser nicht auf multiresistente Bakterien überprüft?

Da es aufgrund der Vielzahl nahezu unmöglich ist Trinkwasser auf alle bekannten Bakterien oder Krankheitserreger zu untersuchen, fußt die Trinkwasserüberwachung auf dem Indikatorprinzip. Das bedeutet, dass ein bestimmtes Bakterium als Anzeiger für eine Belastung oder Eintrag von außen dient. Dabei hat sich bereits vor mehr als 125 Jahren das Darmbakterium Escherichia coli (kurz E. coli) als sinnvoller Indikator herauskristallisiert. Es wurde bereits 1892 als Anzeiger einer fäkalen Kontamination in Trinkwasser vorgeschlagen. Ist dieses Bakterium nachweisbar, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Krankheitserreger im Trinkwasser vorhanden sind. Daher sind in Abstimmung mit den Gesundheitsämtern unverzüglich Maßnahmen einzuleiten. Neben E. coli wird das Trinkwasser auf weitere Bakterien wie Enterokokken und Clostridium perfringens untersucht - Umfang und Häufigkeit der mikrobiologischen Untersuchungen werden von der Trinkwasserverordnung vorgegeben. Dieses Indikatorprinzip hat sich über mehr als 100 Jahre bewährt. 

Neue methodische Entwicklungen der Laboranalytik beeinflussen auch die Trinkwasserüberwachung: So werden zur Prozessüberwachung neben den zugelassenen Verfahren auch weitere Methoden eingesetzt, um zusätzliche Sicherheit oder die Möglichkeit einer Ursachenfindung bei Auffälligkeiten zu erreichen. Untersuchungen von multiresistenten Bakterien werden vor allem im Krankenhausbereich zu medizinischen Zwecken mit verschiedenen Methoden vorgenommen. Im Umweltbereich wurden resistente Bakterien auch im Ablauf von Kliniken, den angeschlossenen Kläranlagen und deren Abläufen untersucht. In neuerer Zeit schlossen die Analysen auch die Oberflächengewässer mit ein. Da weder Verfahren noch Bewertungsgrundlagen für Trinkwasser existieren, wurde bisher Trinkwasser nicht auf multiresistente Bakterien untersucht. Auch das Regionalbüro Europa der Weltgesundheitsorganisation (kurz WHO) sieht derzeit für eine vorsorgliche routinemäßige Untersuchung des Trinkwassers auf Antibiotika-resistente Bakterien keine Veranlassung, jedoch besteht weiterer Forschungsbedarf.  
 

Trinkwasseruntersuchungen auf multiresistente Bakterien

Insbesondere das Trinkwasser stellt für die Untersuchung von resistenten Bakterien aufgrund der sehr geringen Bakterienzahlen eine Herausforderung dar. In Anlehnung an die medizinischen Untersuchungsverfahren wurde von der Westfälischen Wasser- und Umweltanalytik GmbH (kurz WWU) eine Methode zur Untersuchung von Wasserproben etabliert. Es wird geprüft, ob die Bakterien auf Nährsubstrat mit Antibiotikazusatz wachsen können. Das Wachstum wird mit weiteren Tests bestätigt und abschließend werden die Bakterien näher charakterisiert. Mit der etablierten Methode wurden repräsentative Trinkwasserproben in beispielhaft ausgewählten Wasserwerken sowie die unterschiedlichen Schritte der Trinkwasseraufbereitung auf Vorhandensein von multiresistenten Bakterien untersucht. Es wurden keine pathogenen, multiresistenten Bakterien nachgewiesen. Das Ergebnis bestätigt damit die bisherigen Erkenntnisse, dass Trinkwasser frei von multiresistenten Krankheitserregern ist. 

Um weitergehende Erkenntnisse zu Resistenzen zu gewinnen, werden derzeit neuartige Verfahren zum Nachweis resistenter Mikroorganismen im medizinischen Bereich entwickelt. Dabei hat sich die WWU an einem Forschungsvorhaben beteiligt, bei dem der Fokus auf einer Methodik für Umwelt- und insbesondere Trinkwasserproben lag. Im Projekt wurde eine Methode entwickelt, mit der ein routinemäßiges Screening auf resistente Bakterien im Trinkwasser ermöglicht wird. Zum jetzigen Zeitpunkt ersetzen entsprechende neue Methoden allerdings nicht die vorgeschriebenen Verfahren nach Trinkwasserverordnung, da von den Gesundheitsbehörden noch adäquate Leit- oder Richtwerte für multiresistente Bakterien bzw. Genmaterial in Umweltproben definiert werden müssen. 
 

Fazit: Aufbereitung ist auf einen effizienten Rückhalt von Bakterien und Viren ausgelegt

Das über Jahrzehnte etablierte Indikatorsystem der mikrobiellen Trinkwasserüberwachung sowie die Einhaltung des technischen Regelwerks bei der Trinkwasseraufbereitung stellen eine einwandfreie Trinkwasserqualität sicher. Die Aufbereitung ist auf einen effizienten Rückhalt von Bakterien und Viren ausgelegt, also auch für den Rückhalt multiresistenter Bakterien. Zudem unterstützen Hygieneregeln und weitere, freiwillige Überwachungsstrategien die Beibehaltung des hohen Trinkwasserstandards. Die fortschreitende Weiterentwicklung der Analytik lässt künftig immer tiefere Einblicke zu und verbessert somit die Überwachungsmöglichkeiten. Diese Möglichkeiten werden genutzt, auch in eigens initiierten Forschungsprojekten, um die Wasserqualität bestmöglich bewerten zu können. Für die Untersuchung von resistenten Bakterien steht eine standardisierte Untersuchung noch aus, ein erster Schritt wurde jedoch im initialisierten Forschungsprojekt erarbeitet. Auch bei den Resistenzen muss das vorrangige Ziel sein, die Belastungen an der Quelle einzudämmen. Das heißt im Fall antibiotikaresistenter Bakterien, den Eintrag von Antibiotika in die Umwelt zu reduzieren und damit die Entstehung und Verbreitung zu verhindern.
 

Ihr Ansprechpartner

Thomas Pochwyt

Experte Wasserqualität