Aktuelle Ansätze zur Spurenstoffüberwachung

Die hochauflösende Massenspektrometrie in der Roh- und Trinkwasserkontrolle

Aktuelle Ansätze zur Spurenstoffüberwachung

Historie der Analysemöglichkeiten

Um Stoffe zu analysieren, sind entsprechende Untersuchungsverfahren erforderlich. Die Analysemöglichkeiten stehen daher in engem Zusammenhang mit den zur Verfügung stehenden Verfahrenstechniken. Eine besondere Bedeutung in der Analytik haben chromatografische Verfahren. Sie werden seit den 1960er Jahren einsetzt, um organische Stoffen in Wasserproben zu separieren und anzureichern, um sie in einem weiteren Schritt nachweisen zu können. In der Anfangsphase wurde überwiegend die Gas-Chromatografie (kurz: GC) eingesetzt und damit insbesondere flüchtige Komponenten wie halogenhaltige Kohlenwasserstoffe und aromatische Verbindungen quantifiziert. Untersuchungsziele waren auch Verbindungen, die bei der Desinfektion entstehen können.


Einen Wendepunkt in der Roh- und Trinkwasseranalytik brachte die Trinkwasserverordnung von 1990. Mit ihr wurde die Verpflichtung eingeführt, das Trinkwasser auf Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel zu untersuchen.
Bei den seinerzeit etablierten Bestimmungsmethoden auf Pflanzenschutzmittel wurde zunehmend auch die Flüssigkeits-Chromatografie (kurz: LC für liquid chromatography) eingesetzt, mit der verfahrensbedingt vor allem gut wasserlösliche Komponenten analysierbar sind. In den Untersuchungen auf Pflanzenschutzmittel konnten ohne besonderen Mehraufwand auch einige Arzneimittelwirkstoffe (wie der Lipidsenker Clofibrinsäure und das Antiepileptikum Carbamazepin) mit erfasst werden. Dabei zeigte sich, dass in zahlreichen Proben deren Konzentrationen so hoch wie oder sogar höher als die zu untersuchenden Pflanzenschutzmittel waren. Mit der Zunahme der Kenntnisse über Rohwasserbelastungen mit organischen Spurenstoffen kamen sukzessive weitere Substanzen in den Fokus, die nicht unmittelbar in der Trinkwasserverordnung geregelt sind. Das Spektrum an organischen Verbindungen auf die die Roh- und Trinkwässer untersucht werden, ist zwischenzeitlich stark angestiegen. Die Westfälische Wasser- und Umweltanalytik GmbH untersucht und berichtet aktuell bereits mehr als 350 Spurenstoffe.
 

„Non-Target-Analytik“

Seit einigen Jahren stehen neue Auswertesysteme mit deutlich verbessertem Auflösevermögen zur Verfügung. Diese Kombination aus chromatografischer Trennung und daran gekoppelter hochauflösender Massenspektrometrie ermöglicht eine sehr umfangreiche Detektion und eröffnen neue Charakterisierungsmöglichkeiten von Wasserproben, vorausgesetzt, die Stoffe sind in die Ionenform überführbar („ionisierbar“). Dann ermöglicht das Verfahren auch bisher unbekannte Stoffe zu erfassen. Das heißt, es können auch Verbindungen aufgefunden werden, die nach der bestehenden Kenntnislage nicht im Untersuchungsfokus stehen. Zur Abgrenzung gegenüber zielgerichteten Überwachungsprogrammen („Target Analytik“) wird die Anwendung von hochauflösenden Verfahren teilweise auch als „Non-Target-Analytik“ bezeichnet. „Non-Target“ beschreibt allerdings nur einen Teil der Anwendungsmöglichkeiten der hochauflösenden Massenspektrometrie.

Alles zum HRMS-Screening

Wie funktioniert das HRMS-Screening und welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es?

Die hochauflösende Massenspektrometrie (HRMS-Screening)

Die Untersuchungshäufigkeiten und die Untersuchungsumfänge in der Trinkwasserüberwachung richten sich nach den möglichen Belastungen aus dem Rohwasser und den möglichen Stoffumsetzungen im Zuge der Aufbereitung. Die Zusammenstellung der Untersuchungsparameter und Untersuchungsprogramme orientiert sich an den vorliegenden Vorinformationen und allgemeinen Kenntnissen zum Vorkommen von Stoffen. Diese (Target-) Messmethodik basiert auf genormten Verfahren und gewährleistet eine weitgehende Sicherheit bei der zweifelsfreien Identifizierung von organischen Substanzen. Sie ist wesentliche Grundlage der qualitätsbasierten Überwachung im Monitoring. Eine Vielzahl bekannter Komponenten sowie deren Transformationsprodukte z. B. aus den Bereichen der Pflanzenschutzmittel, Arzneimittelwirkstoffe, Chemikalien aus Haushalt und Industrie werden auf diese Weise quantitativ erfasst.

Bei der hochauflösenden Massenspektrometrie werden die Molekülmassen der in einer Probe enthaltenen Stoffe mit Hilfe von Spektren-Bibliotheken oder Datenbanken identifiziert. Die dabei erhaltenen Molekülinformationen können nicht unmittelbar Substanzen zugeordnet werden. Die gemessenen Datensätze können aber über spezielle datenbankbasierte Auswertungstools mit Bibliotheken abgeglichen werden. Darüber sind Aussagen möglich, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Substanz in der untersuchten Probe enthalten sein kann (Suspect-Target-Screening). Zur zweifelsfreien Identifizierung müssen die Stoffe dann gegebenenfalls wie in der Target-Analytik mit Vergleichsstandards identifiziert und quantifiziert werden.

Das HRMS-Screening ermöglicht es Informationen über organische Spurenstoffe zu erhalten, ohne Begrenzungen durch eine Vorauswahl, die bei der Target-Analytik unerlässlich ist. Wenn im Suspect-Target-Screening keine Übereinstimmung gefunden wird, kann über Internetdatenbanken und zusätzliche Strukturinformationen versucht werden, auch unbekannte Substanz zu identifizieren (Non-Target-Screening). Wegen der komplexen Strukturmöglichkeiten organischer Verbindungen kann eine Identifizierung trotz aufwendiger Zusatzuntersuchungen allerdings erfolglos bleiben.
 

Beispiele für Anwendungsmöglichkeiten

Das HRMS Screening ergänzt die bewährte Target-Analytik zur Trink- und Rohwasserüberwachung sinnvoll.

  • Zumindest qualitativ kann in einem Analysengang auf einen gegenüber der Target-Analytik deutlich erhöhten Substanzumfang untersucht werden.
  • Regelmäßig angewendet, können durch Vergleich Komponenten erfasst werden, die gegenüber bisherigen Auswertungen neu hinzugekommen oder entgegen der bisherigen Erfahrung nicht mehr anwesend sind.
  • Bei Sondersituationen wie Fischsterben, Schaum oder sonstigen Auffälligkeiten am Gewässer, zur Abklärung von Altlasteneinflüssen oder bei sensorischen Beanstandungen im Trinkwasser bietet die HRMS-Technik weitergehende Möglichkeiten, die Ursachen zu ermitteln.
  • Die Stoffumsetzungen bei der Aufbereitung können verfolgt werden.
  • Die HRMS-Technik ermöglicht nachträgliche Aussagen zu Stoffen, die erst nach bereits abgeschlossenen Messungen an Relevanz gewonnen haben (z. B. aus Literatur und Fachkreisen). Damit können durch nochmalige Auswertung Stoffe retrospektiv gefunden und ihre Konzentrationen abgeschätzt werden.
     

Mehr Infos über Spurenstoffe

Spurenstoffe sind ein Spiegel unserer Gesellschaft. Es sind menschengemachte (anthropogene) Substanzen, die in sehr geringen Konzentrationen in der Umwelt gefunden werden. Erfahren Sie alles über Spurenstoffe im Wasser.

Ausblick - in Zukunft mit „TRINK-IDENT“

Die hochauflösende Massenspektrometrie ist eine komplexe und in vielen Bereichen einsetzbarere Zukunftstechnologie, die in der Roh- und Trinkwasserüberwachung zunehmend bedeutender wird. Da die Bearbeitungen teils sehr komplex und mit hohem Aufwand verbunden sind, beabsichtigt die Westfälische Wasser- und Umweltanalytik GmbH und weitere Laboratorien, die die HRMS-Technik bereits anwenden, eine gemeinsam nutzbare und vom jeweils eingesetzten Gerätetyp unabhängige Informations- und Kommunikationsplattform „TRINK-IDENT“ zu installieren. Ziel ist, die Bearbeitungen und Berichte zu standardisieren, sich über neu erfasste Suspect-Targets und erkannte Non-Targets auszutauschen und die für das Trinkwasser relevanten Stoffflüsse nach und nach gemeinsam weiter aufzuklären.

TRINK-IDENT soll daher laborübergreifend mit nachfolgenden Zielen den Austausch der Analytiker und der Analyseverantwortlichen ermöglichen.

  • Die Plattform soll den aufwendigen Einführungsprozess der HRMS-Technik verkürzen und üblicherweise auftretende Implementierungsschwierigkeiten verhindern.
  • Anhand der Erfahrungen aller Anwender können fragestellungbezogene Substanzlisten zur Verfügung gestellt und Hilfestellungen zur Einführung von semiquantitativen Auswertungen gegeben werden.
  • Die Plattform kann den Austausch von (teils sehr teuren) Referenzsubstanzen vermitteln.
  • Die Auswertung und die Ergebnisdarstellung sind im HRMS-Screening bisher nicht standardisiert und Resultat individuell gestalteter Implementierungen. Mit Hilfe von TRINK-IDENT sollen Abarbeitungs- und Berichtsstandards etabliert werden und zwar unabhängig davon, welche Analysesysteme im Einsatz sind.
  • Mit Hilfe von TRINK-IDENT sollen zur Vergleichbarkeit der Ergebnisse bestimmte Geräteparameter in der Auswertung festgelegt und Ringversuche zum Abgleich unter den Laboratorien durchgeführt werden.
  • Die Kooperation unter den Laboratorien soll insbesondere auch zur Aufklärung von bisher nicht bekannten Komponenten bei Non-Target-Auswertungen genutzt werden.
     

Ihr Ansprechpartner

Thomas Pochwyt

Experte Wasserqualität